Einfach anfangen und loszeichnen
Keri Smith ist eine Anstifterin. In doppeltem Wortsinn. Sie stiftet an, etwas zu tun (wie zum Beispiel, sich ihrer legendären Wander-Society anzuschließen in: „Mach dich auf“) oder hier, im konkreten Fall, stiftet sie an, einen Stift in die Hand zu nehmen.
Und da ich nicht nur eine begeisterte Anhängerin von Keri Smiths imaginär-realer Wander-Society bin, sondern auch gerne (jedoch viel zu selten) zeichne, ist ihr Mitmach-Buch „Mach einen Strich“ ein absolutes must-have für meinen Blog.
Das Buch (das eigentlich eher ein dicker Zeichenblock ist) beginnt– niederschwellig – mit einem simplen Bleistiftstrich. Der wird auf bereits auf Seite 1 angesetzt und schlängelt sich dann – nach Möglichkeit pausenlos – durch das gesamte Buch hindurch. Man benötigt kein Motiv, keinen Radiergummi, kein Lineal oder sonst irgendetwas. Nur etwas Ruhe und die Zeit mit Stift und Kritzel-Lust den Pfaden Smiths zu folgen. Denn: „Es gibt jetzt nur noch dich und diesen Stift.“
Keri Smith führt Regie, ich führe den Stift weisungsgemäß mal langsamer und mal schneller, mal schwungvoll, mal zackig. Ich knicke Seiten, beklebe und verunstalte sie (weisungsgemäß), begebe mich in selbstgestaltete Labyrinthe und finde auch wieder hinaus.
Klar: Die 244 Seiten machen mich nicht zur Künstlerin, „Mach einen Strich“ ist auch kein Zeichenkurs (nach dem Motto in „10 Tagen zum erfolgreichen Zeichner“). Der dicke Zeichenblock ist ein Anreger und Mutmacher, sich wieder einmal mit einem Bleistift in der Hand, in sich selbst zu versenken. Ich erlebe das Kinderglück, durch Bewegung der Hand mittels Bleistift Spuren auf dem Papier zu hinterlassen. Zunächst formlos und – was der Clou ist – völlig zwecklos. Es geht nicht darum, durch Zeichnen Ähnlichkeit mit irgendetwas zu erzeugen. So kann auch gar kein Frust aufkommen.
Keri Smith sorgt nicht nur für einige entspannte Kritzelstunden, ihrem Buch wohnt durchaus ein revolutionärer Geist inne;
„Wenn Du Deinen Stift in die Hand nimmst, besitzt Du eine unglaubliche Macht. Nimm das nicht auf die leichte Schulter.“ Denn: Mit einem Strich „hat man die Macht, die Welt zu verändern.“ Begeisterungsausbrüche führen zu kleinen Revolutionen. Keri Smiths Buch ist „die verstreute Glut deiner Ausbrüche und vielleicht entfacht diese Glut wiederum in Anderen ein Feuer.“
Übrigens habe ich den Mutmach-Zeichenblock nicht in einem Rutsch durchlesen und durchkritzelt, sondern ihn auch immer wieder aus der Hand gelegt. Bis ich wieder einmal das Bedürfnis nach Kontemplation verspürte oder mich in aufmüpfiger Stimmung befand und einfach hemmungslos kritzeln wollte.
Beitragsbilder:
Abbildung Cover: Rechte beim Verlag
Zum Buch:
Keri Smith: Mach einen Strich.
Verlag Antje Kunstmann, München, 2018
ISBN: 978-3-95614-240-6
224 Seiten, 12 Euro