Über M.R.C. Kasasians Kriminalroman „Mord in der Mangle Street“

Ein Fräulein vom Lande in der großen Stadt

Als alleinstehende Frau hat man es nicht einfach im prüden England des viktorianischen Zeitalters. Undenkbar, dass eine junge Frau einfach alleine ein selbstbestimmtes Leben führt. Da hilft auch ein ordentliches Vermögen nicht.

March Middleton weiß ein Lied davon zu singen. Nach dem Tod ihres Vaters muss die junge unverheiratete Frau ihr Elternhaus -ein kleiner Landsitz- in der englischen Provinz aufgeben, um zu ihrem Vormund Sidney Grice nach London zu ziehen.

Diese Vorgeschichte gäbe nun Stoff für eine romantische Liebesgeschichte (adliges Landfräulein findet in der großen Stadt ihre gr0ße Liebe) oder ein Sozialdrama (adliges Landfräulein führt unter der Knute ihres geldgierigen Vormunds ein entrechtetes Leben im Elend). Martin R. C. Kasasian benötigt keine solchen Klischees, um aus March Middletons Geschichte einen spannenden Plot zu stricken: March trinkt leidenschaftlich gern Gin und raucht für ihr Leben gern Zigarren. Was ihr an äußerlichen Reizen fehlen mag, macht sie mit Intelligenz und einem eigenständigen Verstand wett.

Ihr Vormund Sidney Grice ist ein recht eigenwilliger Antagonist: Mürrisch, antialkoholisch, nichtrauchend und vegetarisch führt er mit seinem ungeliebten Dienstpersonal einen recht ungewöhnlichen Haushalt in der Londoner Gower Street. Er trägt ein Glasauge, hat einen scharfen Verstand, die unglaublichsten Marotten und ist der beste Privatdetektiv seiner Zeit.

Da ist es kein Wunder, dass es March Middleton in London nicht langweilig wird, schließlich befindet sie sich schon kurz nach ihrer Ankunft mitten in den Ermittlungen zu ihrem ersten Fall: William Ashby wird beschuldigt seine Frau ermordet zu haben. Er beteuert seine Unschuld und bittet Grice darum, ihm zu helfen. Während March fest von der Unschuld des Mannes überzeugt ist, hat Grice von Anfang an erhebliche Zweifel.

Kasasian legt seine Krimi-Reihe in klassischer Manier an; Privatermittler wie Sherlock Holmes, Monsieur Poirot und Miss Marple stehen Paten für Sidney und March. Dabei ist Kasasian keineswegs bloßer Nachahmer Arthur Conan Doyles oder Agatha Christies, sondern findet einen sehr eigenständigen und modernen Stil, sich dem Zeitalter des Detektivtums anzunehmen.

Tatsächlich tritt dann auch Dr. Conan Doyle, der March -während er ihre Hand verarztet – gesteht, dass er auch literarisch tätig ist.

Er zuckte bescheiden mit den Schultern, „Ich versuche mich darin.“

„Old school“ ist natürlich das Handwerkszeug mit dem Sidney Grice seine Ermittlungen führt. Ihm genügen sein verbliebenes waches Auge und ein ausgesprochener detektivischer Spürsinn, um auch den Fall Ashby zu lösen. Ein großes Lesevergnügen.


Abbildung Cover: Rechte beim Verlag


 

Zum Buch:

M. R. C. Kasasian :

Mord in der Mangle Street

Aus dem Englischen von Johannes Sabinski und Alexander Weber

Hoffmann und Campe / Atlantik-Verlag, Hamburg 2016

ISBN: 978-3-445-60051-1

400 Seiten, 20 Euro