Über Unda Hörners biografischen Roman „Am Horizont der Meere“.

Gala Dalí; Mehr als nur Salvador Dalís Muse.

Im Schatten ihrer berühmten Männer stand sie nie: Gala Éluard Dalí. Geboren wurde die berühmte Muse der Surrealisten 1894 (oder 1893 oder 1895, so genau weiß man es nicht) als Helena Dmitrijewna Djakonowa in Russland. Unda Hörner zeichnet in ihrem detailreichen Roman „Am Horizont der Meere“ das Leben der schönen und mutigen Helena nach, die sich später Gala nennen wird und nach einer behüteten großbürgerlichen Kindheit in Moskau die Salons der surrealistischen Bohème zu ihrer Spielfläche machen wird.

Alles beginnt mit einer „kleinen Lungenaffektion“, an ihrem 18. Geburtstag. Im März 1813 wird das junge Mädchen nach Clavadel bei Davos zur Kur geschickt. Für die lebenshungrige Gala verbindet sich mit der Reise nach Westen -außer der Wunsch gesund zu werden – vor allem die Aussicht auf etwas Abwechslung und Abenteuer. „Man hörte, kaum zu glauben, dass in den großen Sanatorien gern gefeiert und getanzt würde.“

Im Sanatorium Clavadel herrscht Zauberbergstimmung, wie man sie von Thomas Manns Schilderungen kennt. Gala, die schöne, reiche Russin trifft in dem kosmopolitischen Haus den jungen französischen Dichter Paul Grindel alias Paul Éluard. Die beiden verstehen sich auf Anhieb prächtig. Vertiefen sich in Literatur und Poesie, üben sich – unerfahren, wie beide sind – in Liebesdingen.

Für Gala realisieren sich mit dieser Bekanntschaft ihre kühnsten Träume; das abgeschiedene Sanatorium wird ihr Sprungbrett in die schillernde Welt der Avantgarde: Sie bricht nach Paris auf, heiratet nach geduldigem Warten Éluard, verkehrt in surrealistischen Zirkeln. In Unda Hörners Roman wird die schräge Welt der Pariser Avantgarde sehr lebendig, die Antipathie zwischen André Breton und Gala lesen sich wie Berichte aus dem „innere circle“ der Szene.

Das Leben, das Gala führt ist bunt. In ihrer Ehe mit Paul gibt es genügend Spielraum für außereheliche Beziehungen. Da stehen sich die beiden in nichts nach. Einfach waren diese Verhältnisse nicht. Ihre Beziehung mit dem deutschen Maler Max Ernst ist eine Ménage à trois. Für Max Ernst und seine Frau Lou endet sie in der Scheidung, für Gala und Paul in einer schweren Krise.

Während die Männer in Galas Leben sich künstlerisch verwirklichen, ringt Gala um Sichtbarkeit. Darum mehr zu sein, als eine attraktive Frau an der Seite eines genialen Künstlers. Dass dieses Streben nach Sichtbarkeit für eine Frau – selbst im fortschrittlichen Paris der goldenen 20er Jahre – nicht einfach war, zeichnet Hörner in ihrem Roman auf spannende, lesenswerte und unterhaltsame Weise nach. Gala, so viel wird klar, versteht sich nicht als Anhängsel berühmter Männer. Sie will mehr. Beginnt mit Kunst zu handeln und trifft schließlich auf den zehn Jahre jüngeren Maler Salvador Dalí. Für ihn wird sie nicht nur zur großen Liebe und Muse, sondern auch zur erfolgreichen Managerin und Marketing-Chefin des schüchternen und unerfahrenen Malers. Gala wird zur treibenden Kraft, zum Fixpunkt des exzentrischen Dalí.

In Unda Hörners Version hört sich das so an:

„Du bleibst am besten zu Hause, ich übernehme das“, sagte Gala zu Dalí, als sie sich am frühen Abend gebührend in Schale schmiss für ihre Verabredung in einem vornehmen Restaurant am Observatoire. Wer weiß, wenn ihr kleiner Katalane glaubte, während der Verabredung in paranoisch-kritischer Weise mit dem Essen herumspielen zu müssen oder in Panik auf die Toilette lief und sich wieder mit stinken Substanzen einrieb, wäre der schöne Plan womöglich für die Katz. „Es ist ein reines Geschäftsessen, und du bist kein Geschäftsmann, sondern Maler“, erklärte sie und verließ in ihrem elegantesten Pelz das Haus.

Unda Hörner zeigt in ihrem Roman Gala als eine Frau mit vielen Ecken und Kanten. Da wird nichts beschönigt. Egozentrisch und eitel, hungrig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, ist Gala nicht gerade der Typ Frau, den man sich als beste Freundin (oder gar als Mutter) wünscht.

Wer nach Unda Hörners Gala-Roman „Am Horizont der Meere“ auf weitere Einblicke in die surrealistische Künstler-Clique neugierig ist, dem sei Markus Orths Roman „Max“ wärmstens empfohlen. Hier entlang geht es zu meiner Rezension.


Abbildungen: Rechte beim Verlag


Zum Buch:

Unda Hörner: Am Horizont der Meere. Gala Dalí.

Roman.

Ebersbach & Simon, Berlin 2019

ISBN: 978-3-86915-189-2

304 Seiten