Hunde in der Malerei. Ein Rundgang in 39 Bildern.
Eins vorne weg: Jan Philipp Reemtsma erhebt mit seinem bibliophilen Büchlein „Einige Hunde“ nicht den Anspruch, einen Überblick über den „Hund in der bildenden Kunst“ zu geben. Seine Auswahl der Bilder ist völlig subjektiv, der Zugriff auf wissenschaftliche Literatur beschränkt sich auf eine Auswahl (das, was in seiner Bibliothek greifbar war). Entstanden ist auf diese Weise ein kurzer, brillant formulierter Essay über einige Hunde auf einigen Gemälden. Reemtsma lässt sich bei seinen kulturhistorischen Überlegungen nicht von kunsthistorischen Entwicklungssträngen gängeln. Er variiert sehr frei über das Thema und erlaubt sich weite Exkurse weg vom Hund bis in den olympischen Götterhimmel und wieder zurück. Beim Lesen kommt immer wieder der Germanist im Autor durch: Seiner Beschäftigung mit Christoph Martin Wieland und Arno Schmidt verdankt man einige spannende Querverbindungen. Es macht Freude, sich unter solch kenntnisreicher Führung zu verzetteln um sich nach einigen kunstvollen Wendungen wieder beim Ursprungsgedanken zu finden.
Es gefällt mir gut, dass Jan Philipp Reemtsma Arbeiten vorstellt, in denen Hunde – auf den ersten Blick gesehen – gar keine tragende Rolle spielen. Und doch sind sie unverzichtbar, wie ich beim Lesen lerne. Hunde verkörpern die sogenannten niederen Instinkte des Menschen. Hunde sind eben ungenierte Wesen, die an Dingen und Körperteilen schnuppern, an die der Mensch sich in der Öffentlichkeit nicht heranwagt. Im 17. Jahrhundert wurden Hunde sogar häufig bei der Verrichtung ihrer großen Geschäfte dargestellt. Man kann sich kaum ein drastischeres Statement zu einer Szene denken, als ein kackender Hund. Da macht auch Rembrandt keine Ausnahme und bildet Hund und Häufchen im Vordergrund seines Gemäldes „Der barmherzige Samariter“ ab.
Natürlich geben sich nicht alle dargestellten Hunde in ihrer hundlichen Schamlosigkeit so ungeniert wie der Rembrandtsche Straßen-„Köter“. Hunde werden auch subtiler ins Bild gebracht. Sie unterstützen die Gesten ihrer menschlichen Gefährten und kommentieren – körpersprachlich – das Geschehen (wenn sie die Szene nicht einfach verschlafen, was -wie im wahren Leben – oft passiert). Hunde kommen häufig dann ins Spiel, wenn das Dargestellte erotisch konnotiert ist. Wenn es um Nacktheit geht (und / oder um Sünde), dann fehlen Hunde selten im Bild. Das war vor 500 Jahren so und gilt bis heute. Den unbekleideten Menschen in enger Nähe zum Hund thematisierte der 2011 verstorbene Lucian Freud in mehreren seiner Porträts. Reemtsma widmet ihm aus gutem Grund einen großen Abschnitt.
Es wird klar: Der Hund in der Kunstgeschichte ist viel mehr, als ein Symbol für Treue und Status. Ja, manchmal sind Reemtsmas Spekulationen, wie er es selbst einräumt, vielleicht etwas weit hergeholt. Aber die Präzision, mit der er seine Bildbetrachtungen betreibt, und die Klugheit, mit der er seine Analysen vorantreibt, sorgen dafür, dass man sich dem „weit hergeholten“ gerne widmet.
Mein Fazit?
Die Frage nach dem Ertrag des Buches überlasse ich dieses Mal dem Autor selbst. Jan Philipp Reemtsma formuliert die Frage des Ertrags seiner Überlegungen in „Einige Hunde“ im bescheidensten Understatement wie folgt: „Vielleicht ist der Ertrag (…), daß die Leserin oder der Leser beim nächsten Museumsgang vor einem Bild ohne Hund sich fragen, welche Art von Hund da wohl fehlt.“
Mehr Bücher über Hunde in der Kunst auf Hund im Buch:
Abbildungen
Cover: Rechte beim Verlag
Rembrandt: Der barmherzige Samariter: http://www.zeno.org/nid/20004247132
Corregio: Ganymed: http://www.zeno.org/nid/20003954196
Zum Buch:
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Jan Philipp Reemtsma: Einige Hunde.
Insel-Bücherei Nr. 1432
Insel Verlag, Berlin 2017
ISBN: 978-3-458-19432-3
120 Seiten, 14 Euro