Wenn Schnee die Welt verändert
Wenn Schnee plötzlich die Welt verändert, ist das nicht nur wunderschön, sondern manchmal auch ganz schön unheimlich. Die vertraute Welt ist mit einem Mal weiß und lautlos. Wenn das Ganze dann auch noch mitten im Sommer geschieht, kann man sich schon etwas gruseln.
Klara passiert genau das: Sie verbringt im Sommer mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester einige Tage auf einer Hütte im Gebirge, als es mit einem Mal kalt wird. Die Welt draußen verändert sich, es schneit und die Fenster sind voll von Eisblumen. Da obendrein Klaras Schwester Franzi krank ist, muss die Mutter ins Tal um Medizin und Lebensmittel zu holen. Während draußen die Schneeflocken tanzen und drinnen die Eisblumen wachsen, bekommt Klara es doch etwas mit der Angst zu tun. Es wird dunkel und die Mutter ist noch nicht wieder zurück. Von draußen hört sie Geräusche. Treiben gar die Trolle ihr Unwesen?
„Die Trolle werden übermütig, wenn Schnee im Sommer fällt, und die Eissterne am Fenster haben sie angelockt. Trolle lieben außergewöhnliche Dinge und Schönes.“
Mit „Eissterne im Sommer“ gelingt Anna Rottensteiner eine poetische Geschichte. Sie entführt uns in Klaras fantasievolle Welt, die in ihrer Einsamkeit mit den Eisblumen spricht und die Trolle fürchtet.
„Den Schnee werden sie nicht mögen und sich verkriechen, hofft Klara. Ganz tief sollen sie sich verkriechen, dass sie nicht Mutters knirschende Schritte hören. Und sie am Umhang zu sich hinabziehen, unter die Erde.“
Rottensteiner erzählt in einer schlichten Sprache und verwendet so schöne Begriffe wie „Fischleinbach“, „Eissterne“ und „Zittergräser“. Irgendwie ist die Geschichte herrlich aus der Zeit gefallen. Moderne Errungenschaften wie Isolierverglasung gibt es in Klaras Hütte nicht, sonst gäbe es ja auch keine Eissterne an den Fenstern. Allein ein die Erwähnung eines Glases Schokocreme verrät, dass wir uns nicht im 19. Jahrhundert befinden, sondern in der Gegenwart.
Die zauberische Welt dieses sommerlichen Schneefalls setzt Linda Wolfsgruber auf wunderbare Weise grafisch um. Die kalte Außenwelt in kühlen Blau- und Grüntönen kontrastiert mit der holzfarbenen Gemütlichkeit der Alpenhütte. Drinnen gibt es vieles zu entdecken; ein Mikadospiel tarnt sich vor einem farbigen Webteppich, über dem Ofen hängen Strümpfe. Und mit einem Augenzwinkern verortet uns ein rotes Smartphone im 21. Jahrhundert.
Wolfsgrubers Trolle sind fünf putzige Gesellen, Mischwesen aus Vögeln, Ziegen und Menschen, denen man schon ansieht, dass sie eigentlich nichts Böses im Schilde führen. Aber für jeden Schabernack zu haben sind.
Eigentlich ist „Eissterne im Sommer“ ist ein Buch mit ganzjähriger Saison: Im Hochsommer erfüllt es die Sehnsucht nach etwas Abkühlung und im Winter ist es ideal für gemeinsame Lesestunden in dicken Wollsocken.
Abbildung Cover: Rechte beim Verlag
Zum Buch:
Linda Wolfsgruber (Illustration) und Anna Rottensteiner (Text):
Eissterne im Sommer.
Illustriertes Kinderbuch
Kunstanstifter, Mannheim 2018
ISBN: 978-3-942795-57-9
32 Seiten, 22 Euro.
Für Kinder ab sieben Jahren