Gefährliche Geschäfte, exquisites Essen und Liebe in der zweiten Lebenshälfte
Ein pensionierter Agent und Kunsthistoriker und ein alternder Greyhound sind die Protagonisten von Anthony Coles Arles-Krimis. Zwei ältere Gentlemen also, die ihren wohlverdienten Ruhestand in Arles verbringen
Peter Smith und seinen Windhund Arthur haben meine Leserinnen und Leser schon kennen gelernt, als ich über den ersten Fall dieses „Gentleman in Arles“ schrieb („Mörderische Machenschaften“). Eigentlich wollen die beiden gerne lange Spaziergänge unternehmen und in angenehmer Gesellschaft gut Essen. So hatten sie sich ihren Ruhestand zumindest vorgestellt. Aber wie im ersten Krimi-Abenteuer stört auch dieses Mal ein Verbrechen ihr südfranzösisches Idyll. Ein junger Polizist wird erschossen. Was wie ein Dienstunfall aussehen soll, macht nicht nur den Großvater des Opfers misstrauisch. Auch Peter Smith glaubt den offiziellen Verlautbarungen über das Geschehen nicht. Und schon befindet er sich mittendrin in einem fiesen Komplott, das bis in höchste Regierungskreise hineinzureichen scheint.
Wieder lässt Anthony Coles uns tief in menschliche Abgründe blicken. Und wieder ist der stets gut gekleidete Peter Smith weit gewiefter, als man es dem Bonvivant auf den ersten Blick zutraut. Zwischen Schachpartien an antiken Sheraton-Tischchen und vielversprechenden kulinarischen Exkursen stürzt sich Smith wieder mutig in gefährliche Ermittlungen. Lässt sein Wissen, sein Können und seine Verbindungen glänzen und schafft es natürlich auch diesem Fall zu lösen.
Die Atmosphäre ist -obgleich der Roman im ungemütlichen Provence-Winter spielt – durchgängig aufgeladen von einer genussreichen Lebensart. Gemeinsam mit einem Freund, der seine Vergangenheit durch ein exquisites Antiquariat tarnt, frönt Smith seiner Vorliebe für edlen Whisky. Immer wieder diniert er in Restaurants oder stellt sich selbst an den Herd (die Vorspeise aus Birnenspalten mit Pernod und Honigvinaigrette muss ich selbst unbedingt ausprobieren). Und zwischen all dem Wein und Champagner und Espresso gibt es dann auch noch die schöne Martine. Die vermögende und einflussreiche Gutsbesitzerin, in die Smith sich schon im ersten Krimi verguckt hatte.
Es ist vor allem dieser von Lokalkolorit und britisch-südfranzösischem Lebensstil gesättigte Hintergrund, der für mich Coles Arles-Krimi-Reihe ausmacht und mir ein paar Stunden Lesefreude garantiert. Die Person Peter Smith als solche ist mir in diesem Krimi (mehr noch als „Mörderische Machenschaften“) etwas zu dick aufgetragen. Peter Smith entwickelt sich zu sehr zum Superhelden, der einfach alles kann: Kochen, Schießen, Ermitteln. Und ein guter Liebhaber scheint er oben drein zu sein. Solche Menschen sind mir sowohl im Leben, wie in der Literatur zu sehr Lichtgestalt, als dass ich mich gerne mit ihnen beschäftigen möchte.
Dass ich es dennoch tue (und mich auf den nächsten Arles-Krimi auch schon freue), liegt außer an der authentischen Provence-Atmosphäre vor allem an Arthur, dem sympathischen, katzenhassenden Windhund mit seiner Vorliebe für hochkalorische Gourmetkost.
Außerdem: Man muss auch gönnen können: Der Autor Anthony Coles konstruiert sich seinen Helden als strahlendes Alter Ego, in den er – so legt es meine Lektüre nah – natürlich auch all die Fähigkeiten und Eigenschaften legt, die ihm selbst vielleicht im echten Leben nicht vergönnt sind. Zwischen Autor und Romanheld gibt es tatsächlich zahlreiche Parallelen: Der Brite Cole ist selbst Kunsthistoriker, lebt in Arles und hält einen Windhund. Und wenn es ihm danach ist, sich ein etwas heldenhafteres fiktives Ich zu ersinnen, dann sei ihm das gegönnt, schließlich ist er in der Lage, einen Plot zu setzen und spannend zu erzählen.
Die biografische Nähe zwischen Coles und seinem Protagonisten schwingt beim Lesen immer mit. Wie schon beim letzten Mal hätte ich mir die Distanz zwischen Held und Autor etwas ausgeprägter gewünscht. Aber wann bekommt man schon einmal eine Ahnung davon, welches Idealbild sich ein älterer Gentleman von einem älteren Gentleman erträumt?
Mein Fazit:
Der Provence-Krimi „Gefährliche Geschäfte“ ist ein Buch mit viel Camargue-Flair. Wer einen spannenden, unterhaltsamen und handwerklich gut gemachten Krimi sucht und gerne etwas über Helden-Fantasien eines Briten über 60 lernen möchte, ist mit Anthony Coles Arles-Serie gut bedient.
Abbildungen: Rechte beim Verlag
Zum Buch:
Anthony Coles: Ein Gentleman in Arles
Gefährliche Geschäfte
Ein Provence-Krimi
Aus dem Englischen von Michael Windgassen.
Pendo Verlag, München 2019
ISBN: 978-3-86612-455-4
368 Seiten, 15 Euro