Wiederentdeckt
2018 hat der Piper-Verlag Gerald Durrells Roman „Meine Familie und andere Tiere“ in einer Neuübersetzung herausgebracht. Durrell (1925-1995) schrieb seine heitere Familiengeschichte bereits 1956 nieder, die launig erzählte Geschichte ist jedoch – sicher auch dank der gelungenen Übersetzung von Andree Hesse – alles andere als verstaubt. Und sie ist die ideale Urlaubslektüre für einen Aufenthalt auf Korfu (oder auch überall sonst, wo einen die Reiselust im Sommer hintragen mag).
Gerald Durrell wurde 1925 in Indien geboren und zog mit Mutter und Geschwistern – nach dem Tod des Vaters – auf die Insel Korfu, im Ionischen Meer. Er erzählt – aus der Ich-Perspektive – von diesem fünfjährigen Aufenthalt (von 1935-1939) und bildet hier eine glückliche und freie Kindheit im Schoß seiner skurrilen Familie ab. Gerald war der jüngste von vier Kindern (zwei Schwestern und einem Bruder). Geralds dreizehn Jahre ältere Bruder Larry Durrell dürfte den Literaturspezialisten unter uns bekannt sein: Schließlich war der Schriftsteller wiederholt für den Nobelpreis vorgeschlagen worden.
Die beiden pubertierenden Schwestern Leslie und Margo, der schriftstellernde Bruder (er war unter anderem mit Henry Miller befreundet und lud immer wieder illustre Gäste aus der internationalen Künstler- und Intellektuellenszene nach Korfu ein) eine herzensgute jedoch etwas überforderte aber unerschütterliche Mutter und nicht zuletzt Gerald selbst bilden ein Figurenpersonal, wie man es nicht besser erfinden könnte.
Der Kindheitsroman liest sich herrlich authentisch, die Erinnerungen sind kitschfrei, unsentimental und so komisch, dass man schon hin und wieder ins Grübeln kommt, ob Durrell nicht manchmal eine Schippe drauflegt, um seine Pointen bis ins letzte auszureizen.
Gerald, später autodidaktischer Zoologe, war bereits als Kind begeisterter Naturforscher. Leidenschaftlich beobachtete er die Tiere seiner Umgebung und brachte immer wieder die unterschiedlichsten Kreaturen in das Heim der Familie. Immerhin hatte man – als die Familie 1939 Korfu in Richtung England verlies – außer den Hunden Pipi und Kotzi noch mehrere Kisten und Käfige mit Vögeln und Schildkröten dabei. Ein Umzug übrigens, den Larry später als „Begräbnis eines Lumpenhändlers“ bezeichnete.
Einen Platz in meinem Hunde-Literatur-Blog verdient sich das Buch nicht allein wegen des liebevollen literarischen Denkmals, das Durrell den beiden Mischlingshunden Pipi und Kotzi setzt, sondern auch, weil Gerald Durrell Menschen für Natur und Tiere begeistern kann.
Klar, heute entspricht es nicht mehr unserem Bild von Tier- und Naturschutz, Wildtiere zu sammeln und in Gefangenschaft zu halten. Aber lässt man diese Einwände einmal beiseite, ist Durrells Buch eine großartige, humorvolle Lektüre, die durch Sprachwitz besticht. Durrell kann einen Plot setzen und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Sollte man sich entscheiden, das Buch ins Reisegepäck zu packen – wozu ich dringend rate – empfehle ich zusätzlich Durrells „Naturführer“. Mich begleitet das – durchgehend mit schönen Fotografien und naturnahen Zeichnungen illustrierte – Buch seit 1983 durch die heimische und fernere Natur.
Nach einer gut zu lesenden Einführung führt Durrell seine Leser durch Haus und Garten, Laub- und Nadelwald, ins Gebirge und an den Strand und zeigt, was da alles so kreucht und fleucht. Auch hier gilt meine Anmerkung: Aufs Sammeln und Mit- Nachhause-Nehmen sollte man tunlichst verzichten.
Abbildungen: Rechte beim Verlag
Zu den Büchern:
Gerald Durrell:
Meine Familie und andere Tiere.
Aus dem Englischen von Andree Hesse
Piper-Verlag, München, 2018
ISBN: 978-3-492-05917-6
Gerald Durrells Naturführer
Unter Mitarbeit von Lee Durrell
Mit einem Vorwort von Konrad Lorenz
Aus dem Englischen von Dr. Siegfried Schmitt
Pawlak-Verlag, Herrsching 1983
ISBN: 3-88199-318-5