Das höchste Lebensglück ist Federvieh und Hühnerdreck
Dem Leben mit Hühnern scheint ein Zauber inne zu wohnen. Zumindest legt das Buch „Meine Hühner und ich“ von Isabella Rossellini dies nahe. Rossellini ist Tochter berühmter Eltern (Ingrid Bergman und Roberto Rossellini) war Model, spielte in Filmen von Peter Greenaway und David Lynch mit und arbeitete als Regisseurin. Heute lebt sie auf ihrer Farm auf Long Island zusammen mit Hund, Schafen, Bienen und: Hühnern.
Letztgenannten hat sie mit ihrem Buch „Meine Hühner und ich“ ein würdevolles Denkmal gesetzt. Wie man sich vielleicht vorstellen kann, haben Rossellinis Hühner wenig mit den modernen Hochleistungshennen gemeinsam, wie sie zu Millionen in durchtechnisierten Eierfabriken ihr trauriges und kurzes Leben fristen müssen. Rossellinis Hühner leben ein freies und glückliches Bilderbuch-Leben und unterscheiden sich auch optisch von den unglücklichen Legehybriden in ihren engen Käfigen. Rossellini hält nämlich „Heritage Chicken Breeds“. Also Hühner die alten Rassen angehören.
Ganz pragmatisch bestellte Isabella Rossellini ihre Hühner online (was ich etwas befremdlich finde) und bekommt sie per Luftpost in speziellen Transportboxen zugesendet (was ich ziemlich befremdlich finde). Aber anscheinend ist dieses Verfahren auch hierzulande bei Vögeln gebräuchlich. Schon die Küken bieten ein sehr unterschiedliches Bild. Einige haben braune, einige gelbe Bubi-Köpfchen. Manche sind ganz grau, andere haben aparte dunkle Zeichnungen. Kurz: Diese Heritage-Küken haben das Zeug zum Modeln. Rossellini nimmt den Fotografen Patrice Casanova an Bord und bittet ihn, die Hühner während ihres Erwachsenwerdens abzulichten.
Am improvisierten Set, bestehend aus einem weißen Laken, werden die Küken zu wahren Performern. Sie präsentieren ihre Schönheit, zeigen ihre Gelenkigkeit, führen stolz ihre ersten Flugversuche vor. Nach fünf Monaten legen die nun großen Kleinen ihre ersten Eier. Die Küken sind nun erwachsen, das Fotoprojekt beendet.
Neben einer Reihe wunderschöner Fotos von glücklichen Hühnern enthält „Meine Hühner und ich“ einige interessante Fakten über Hühner. Zum Beispiel, dass sie -sofern man sie lässt – zehn Jahre alt werden können und das Sperma unterwürfiger Hähne aus ihrem Körper ausstoßen können. Hennen paaren sich nämlich vorzugsweise mit dominanten Hähnen.
Isabella Rossellini betreibt ihre Hühnerstudien übrigens nicht als reine Amateurin sondern studierte Verhaltensbiologie. Entsprechend tief ist sie in ihr Thema eingestiegen und vermittelt auf gut verständliche und unterhaltsame Art und Weise viele interessante Details über die Domestikationsgeschichte von Hühnern und anderen Tieren. Exemplarisch greift sie sich die Entwicklung des Hundes heraus, was darin begründet liegt, dass der Hund das erste domestizierte Tier überhaupt. Mich als Hundebloggerin freut diese Wahl natürlich besonders.
Isabella Rossellini ist wohl das, was man ein Multitalent nennt: Sie ist erfolgreich als Schauspielerin und Regisseurin, passionierte Landwirtin und Biologin. Als wäre das nicht genug für einen einzelnen Menschen, besitzt sie einen unterhaltsamen Schreibstil und kann – zu allem Überfluss – auch noch pointiert zeichnen. Aus ihrem Buch spricht aus jeder Seite die Freude, die das Zusammenleben mit Hühnern und Hunden so mit sich bringt. Rossellinis Verhältnis zu ihren Tieren ist innig. Außer ihrem Hund Pinocchio haben auch die meisten Hühner Namen. Auf ihrem Hof tummeln sich neben Speedy (der sich, wie es der geschwindigkeitsverheißende Name andeutet, nicht fotografieren ließ), Amelia Earhart (die Furchtlose) und Andy Warhol (Träger eines verwegenen „Haar“-Schopfes) nicht einfach „Hühner“ sondern eine Gruppe befiederter, wunderschöner Individualistinnen und Individualisten.
Das Buch „Meine Hühner und ich“ macht Lust auf Landleben und Hühnerhaltung (und wäre Pepita nicht, würde ich durchaus über die Anschaffung einiger Hühner nachdenken). Es ist schön, dass sich Rossellini in ihrem Buch diesen schlauen und schönen Tieren angenommen hat. Die Autorin kommt völlig ohne Tierschutzappelle und erhobenen Zeigefinger aus. Aber eines ist klar: Nach der Lektüre dieses Buches wird manch einer am Supermarktregal etwas sorgfältiger über den Eierkauf nachdenken.
Mein Fazit:
Ein großartiges Buch einer sehr uneitlen Frau, dass sowohl Erwachsenen als auch Kindern große Freude bereiten wird.
Abbildung Cover: Rechte beim Verlag
Zum Buch:
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Isabella Rossellini: Meine Hühner und ich.
Texte und Zeichnungen.
Mit Fotografien von Patrice Casanova
Aus dem Englischen von Marion Kagerer
Schirmer / Mosel, München 2017
ISBN: 978-3-8296-0793-3
112 Seiten, 24,80 Euro