Über Katrin Stangls Büchlein „Die Hauskatze ist selten eine weiße“.

Von Katzen, Cowboys und Trakula.

Gleich 21 Autorinnen und Autoren sind am „Tollen Heft Nr. 48“ beteiligt. Katrin Stangl hat Kindertexte aus 100 Jahren gesammelt und in „Die Hauskatze ist selten eine weiße“ zusammengestellt und mit eigenen Grafiken illustriert.

Da schreiben Kinder über Feen im Märchenwald, gelbe Tannenbäume, Cowboys, Quallen, Insekten, Ochsen und andere Tiere. Sie fluchen, verfassen Wunschzettel und Urlaubsbriefe.

Einen Platz im Hunde-Literatur-Blog hat sich das Buch wegen zwei sehr sachverständiger Texte über Katzen erobert: „Die Hauskatze“ aus dem Jahr 1950 (leider bleibt der Autor, die Autorin anonym) und „Nassfutter und Trockenfutter“ von Carlotta (aus dem Jahr 2004).

Zwischen den Texten liegen fast 50 Jahre, der anonyme Autor von 1950 könnte -vom Alter her – Carlottas Großvater oder Großmutter sein. Beide Kinder sind kleine Experten in Sachen Hauskatze.  1950 scheinen weiße Hauskatzen noch eine Rarität gewesen zu sein („Die Hauskatze ist selten eine weiße“). Carlotta wartet 2004 (8-jährig) gleich mit einer ganzen Reihe von Rassekatzen auf. Darunter auch solche Seltenheiten wie Manxkatze und Colourpointkatzen (die ich selbst erst bei Wikipedia nachschlagen musste). Darüber, dass Katzen viel schlafen, sind sich die beiden kleinen Autoren einig. 1950 schliefen Katzen noch „in der Ofenecke“. Ob Carlotta wohl noch weiß, was eine Ofenecke ist?

Interessant sind die Veränderungen in Sachen Katzenernährung, die die beiden kleinen Chronisten dokumentieren. 1950 fraßen Katzen schlicht „Vögel und Mäuse. Das ist ihre Nahrung.“ Und heutzutage? Carlotta weiß Bescheid:

„Katzen essen Nassfutter und Trockenfutter regelmäßig zu Hause Abens und Morgens. Und sie  essen gernene Tunfisch und Käse.“

Neben diesen beiden wunderbaren Sachtexten gibt es ein fast dadaistisch anmutendes Gedicht von Edda, das sie 2013 mit nur fünf Jahren verfasste, Eine „Trakula“-Geschichte (von Philipp, 1986) und Helene Stangls (2015, sieben Jahre alt) weises und aphoristisches Wort:

„Mit Lieben Worten Gaman Das Herz reberiren.“ Wie wahr.

Die Texte sind sehr authentische Dokumente von Kindheitsbefindlichkeiten aus 100 Jahren. Sicher werden einige Aufsätze und Urlaubsbriefe nicht ganz aus freien Stücken entstanden sein. Aber dennoch: Man merkt den Briefen und Aufsätzen die Fabulierlust und Kreativität an, die uns vor und während der Grundschulzeit noch eigen war.

Katrin Stangl gibt die Texte in den Originalhandschriften wieder; manche akkurat und perfekt, die meisten noch etwas ungelenk, dafür aber um so lebendiger. Schreibschrift, Sütterlin und Blockbuchstaben: Die Kinder nutzen die gesamte Bandbreite ihres Repertoires.

Die Texte Katrin Stangl grafisch aufwendig und liebevoll ergänzt. Hierzu fertigte sie Flachdruck-Grafiken in fünf Sonderfarben an. Die farbliche Beschränkung und der kindliche Habitus der Abbildungen ergeben mit den Originalhandschriften ein rundum gelungenes „Tolles Heft“, das mich an alte Schulhefte erinnert. Mit hohem zeichnerischen Können schafft Stangl (sie hat in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert und wurde für ihre Illustrationen mehrfach ausgezeichnet) es, den kindlichen Handschriften authentisch anmutende Grafiken zur Seite zu stellen.

Ein Kreativitäts-Dämpfer zum Schluss:

1984 hat Alexander im Alter von 9 Jahren sich in einem Schulaufsatz an eine Cowboy-Geschichte herangewagt. Ich finde, sie beginnt vielversprechend: Sein Protagonist Bret Maverik kommt in die Stadt geritten und bestellt für seine Freunde John Bill und Mecki Messer „Fünf Whisky!“ „Am besten Chivas!“ Kurze Zeit später:

„An seiner Yacht angelangt, stolpert Mecki Messer schon am Steg.“

Ich hätte gerne gewusst, wie die Story weiter geht, finde, dass Alexander einen Plot setzen konnte. Ein paar Dialoge, etwas Chivas Regal (der Junge kennt sich aus) und die Spannung ist da. Anscheinend war nach einer halben Seite die Schulstunde zu Ende und ich werde nie erfahren, wie es mit den drei besoffenen Helden weitergehen wird. Schade.

Und was macht die Lehrerin? Sie verpasst dem Jungen eine vier.

„Es passiert nichts, was Spannung erzeugen könnte.“ Tja, so kann es gehen.

Mein Fazit:

Ein wunderschön gemachtes Büchlein, das dazu verführt, die eigenen frühen Texte wieder hervorzukramen und Kindheitserinnerungen nachzuhängen.


Abbildung Cover: Rechte beim Verlag


Zum Buch:

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Katrin Stangl: Die Hauskatze ist selten eine weiße.

Durchgängig illustriert und fadengeheftet.

Die Tollen Hefte.

Edition Gutenberg, Frankfurt 2017.

ISBN 978-3-86406-086-1

32 Seiten, 16,95 Euro