„Was ein wildes Tier uns lehrt“
„In den Geschichten, die wir über uns selbst erzählen, wird unsere Einzigartigkeit immer wieder thematisiert. (…) Meiner Ansicht nach bietet keine der in diesem Zusammenhang erzählten Geschichten einen Beleg für eine bedeutende Kluft zwischen uns und den anderen Geschöpfen.“
Mark Rowland muss es wissen. Der britische Philosoph und Schriftsteller stützt diese Kernthese seiner Tierethik nämlich nicht nur auf die Erkenntnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit. Er lebt auch von Kindesbeinen an mit Hunden zusammen. Und Hundehalter können es nachempfinden: Bei einem solch engen Zusammenleben, verringert sich über die Jahre die vermeintliche Kluft zwischen Mensch und Hund. Dass sich dabei die Kluft zwischen eingeschworenen „Hundemenschen“ und überzeugten Nicht-Hunde-Haltern erweitert steht freilich auf einem anderen Blatt.
Rowland, der derzeit an der Universität Miami lehrt, bleibt jedoch nicht beim Hund sondern geht weit zurück, an die Wurzeln der Mensch-Hund-Beziehung: In den 90er Jahren kauft er – damals in Tuscaloosa, Alabama lebend – ein „96-prozentiges Wolfsjunges“: Den Wolfsrüden Brenin.
Auch in den USA ist damals der Handel mit Wölfen verboten. Die höchste „Wolf-Hund-Proportion“, die zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, liegt bei 96 Prozent. Vermutlich, so Rowland, handelt es sich bei Brenin um einen tatsächlichen Wolf. Einen echten Wolf mit einem geschönten Stammbaum sozusagen.
In seinem Buch „Der Philosoph und der Wolf“ beschreibt Mark Rowland das Zusammenleben mit dem Wolfswelpen später erwachsenen Wolfsrüden. Rowland gelingt eine weitgehende Erziehung und Domestizierung, so dass es ihm möglich war, Brenin während seiner Vorlesungen mit in den Hörsaal zu nehmen. Rowland schildert das Zusammenleben mit seinem Helden humorvoll, spannend und stets mit einer tüchtigen Prise Selbstironie.
Neben den zahlreichen Anekdoten arbeitet der Philosophieprofessor Rowland viele Facetten der Mensch-Tier-Beziehung heraus. Er analysiert die grundsätzlichen Unterschiede von Mensch und Wolf und konstruiert hieraus die These einer Dichotomie des „Äffischen“ (also Menschlichen) und des „Wölfischen“. Eine Gegensätzlichkeit, die in vieler Hinsicht überzeugend ist.
Mark Rowlands Stärke ist es, locker-flockig von seinen und Brenins Jugenderlebnissen zu erzählen und gleichzeitig – en passant – große Fragen der Philosophie zu reflektieren. Rowland ist ein guter Story-Teller, der schwierige Stoffe in kleine leichtverdauliche Häppchen zergliedert und freundlich plaudernd serviert. Dabei geht Rowland großen Fragen nach: Hobbes Gesellschaftsvertrag, Hannah Ahrendts Idee von der Banalität des Bösen und Martin Heideggers Frage nach dem Sein.
Nachsatz:
Das Buch „Der Philosoph und der Wolf“ ist spannend, anrührend und regt in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken und Neudenken an. Wölfe (oder „hochprozentige“ Wolfshunde) gehören meiner Meinung nach jedoch nicht in die Hände privater Tierhalter. Im Falle Brenins mag es Rowland geglückt sein, dem Wolfsrüden ein ausgefülltes und weitestgehend „artgerechtes“ Leben ermöglicht zu haben. Eine Regel mag ich hieraus nicht ableiten.
Gerne zitiere ich daher zum Abschluss Mark Rowlands wichtigen Rat an alle, die darüber nachdenken, sich einen Wolf (oder Wolfshybride) zuzulegen:
„Lassen Sie es!“
Abbildung Cover: Rechte beim Verlag
Zum Buch:
Mark Rowlands: Der Philosoph und der Wolf. Was ein wildes Tier uns lehrt.
Piper-Verlag, München 2012.
288 Seiten. 14 Euro.
ISBN: 978-3-492-40455-6
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