Abschied vom „bösen“ Wolf
Wer hat Angst vorm „bösen“ Wolf? Jedenfalls nicht die Kinder, die Barbara Kehls Kinderbuch „Lupo“ gelesen haben.
Die „Hauptperson“ des Buches, Lupo, ist einer von mehreren kleinen Wolfswelpen, die in freier Natur aufwachsen. Barbara Kehl schildert die großen und kleinen Abenteuer von Lupo und seinen Geschwistern Graustirn und Gelbpfote. Die Geschichte beginnt mit den ersten tapsigen Schrittchen der Kleinen vor den Wolfsbau und erzählt das erste halbe Jahr, den ersten Sommer der Jungtiere. Die Autorin vermittelt die Geschichte des kleinen Wolfsjungen authentisch und mit einer unaufgeregten Sprache. Zwar haben Lupo und seine engsten Familienmitglieder Namen, vermenschlicht werden die wilden Tiere jedoch nicht.
Kundig beschreibt Barbara Kehl das Aufwachsen der Wolfswelpen und das Verhalten der Tiere. Sie gibt einen interessanten Einblick in den Familienverband von Lupos Eltern und Geschwistern. Man erfährt, wie die jungen Wölfe langsam an feste Nahrung gewöhnt werden und schließlich instinktiv erste Jagdversuche unternehmen. Irgendwann ist es dann soweit: Die Jungen dürfen zum ersten Mal mit auf eine richtige Jagd. Das Rudel erlegt gemeinsam eine Hirschkuh, die sich dann alle Familienmitglieder untereinander aufteilen.
Kinder lernen das eigentlich Selbstverständliche: Wölfe müssen jagen, um satt zu werden. Die Jagd wird von Barbara Kehl ohne Pathos und grausame Details beschrieben. Die Wölfe in Kehls Kinderbuch sind keineswegs die bösen, durchtriebenen und blutrünstigen Tiere aus dem Märchen. Kehl schildert Wölfe -ohne jede Verniedlichung – so wie sie sind: Familienbewusst, sozial und intelligent. Der kleine Lupo ist ein Sympathieträger für seine Artgenossen. Die Schilderung des kleinen Wolfs ermöglicht Kindern einen unverstellten Blick auf den Canis lupus. Das Kinderbuch „Lupo“ leistet einen Beitrag zu einem unverkrampften Umgang mit dem Wolf.
Eine besondere Qualität des Buches sind die doppelseitigen Zeichnungen der Autorin, mit denen das Buch durchgängig ausgestattet ist. Stimmungsvolle, farbenfrohe Landschaften und detailgetreue Tierdarstellungen illustrieren das Textgeschehen. Neben den Wölfen und ihrem Lebensraum gibt es kleine Käfer, Schlangen, einen Uhu und eine Wildschweinfamilie zu entdecken. Wie der Text kommen auch die Zeichnungen ohne Vermenschlichung und Verniedlichung aus. Die Abbildungen eignen sich dazu, das Buch auch gemeinsam mit kleineren Kindern durchzublättern.
Es ist zu hoffen, dass Kinderbücher wie Barbara Kehls „Lupo. Ein Wolfssommer“ langfristig dazu beitragen könnten, den Diskussionen um Wiederansiedlungen von Wölfen die Schärfe zu nehmen. Natürlich – und das sollen auch Kinder wissen – ist der Wolf ein Jäger. Aber „böse“, „böse“ ist er deswegen nicht.
Beitragsbild: Rechte beim Verlag
Das Buch ist im Selbstverlag erschienen. Bestellungen direkt bei der Autorin: barbara.kehl@gmx.de
Zum Buch:
Barbara Kehl: Lupo. Ein Wolfssommer
Selbstverlag, Potsdam 2015.
40 S. durchgängig illustriert. 14,90 Euro.
Leseempfehlung der Autorin: 6 bis 10 Jahre.
ISBN 978-3-00-050416-7