„Bilder einer besonderen Freundschaft.“
„Kinder und Katzen“. Passen die wirklich zusammen? Katzen kratzen Kinder. Kinder kujonieren Katzen. Aber es geht natürlich auch anders. Der begeistere Katzenfreund Detlef Bluhm streift in seinem Buch „Kinder und Katzen“ durch beinahe 500 Jahre Kunstgeschichte, um dem Verhältnis Kind und Katze auf die Spur zu kommen. Tatsächlich fördert er einen Schatz von 52 Gemälden zutage, die genau dieses Verhältnis thematisieren.
Ja, es gibt Bilder auf denen Katzen Kinder kratzen: Der Niederländer Jan Miense Molenaer zeigt 1640 einen Knaben, dem ein kleines Kätzchen mit seinen scharfen Krallen zu nah kommt. Molenaer zeigt den Moment, in dem schon Blut fließt, der Junge jedoch noch lacht.
Und ja: Es gibt auch Bilder, auf denen Kinder Katzen kujonieren: Auf dem Gemälde „Böses kleines Mädchen“ von Don Fritz aus dem Jahr 1997 zieht ein Mädchen eine Katze grob am Schwanz.
Zwischen diesen beiden Extremen, präsentiert Bluhm das breite Spektrum an Kind-Katze-Beziehung: Es gibt Bilder, auf denen die Beziehung zwischen beiden inniger nicht sein kann. Mein Favorit ist ein Bild Robert Braithwaite Martineaus: „Mädchen mit Katze (1860). Beide schmiegen sich aneinander, genießen die gegenseitige Geborgenheit. Bluhm lässt aber auch traurige Motive nicht aus: Heinrich Vogeler malt seine Tochter Mascha mit ihrem toten schwarz-weißen Kätzchen (1914). Ein erschütterndes Bild.
Ganz nebenbei ist „Kinder und Katzen“ auch eine Geschichte der Katze in der Kunst (und damit auch eine kurze Geschichte der Katze in der Gesellschaft überhaupt). Bluhm geht zweckmäßigerweise chronologisch vor und startet im italienischen Frühbarock mit Annibale Carraccis „Zwei Kinder, eine Katze neckend“ (von 1590). Über holländische Genremalerei und Rokoko-Kätzchen gibt es Impressionisten, Expressionisten und schließlich einige Beispiele aus der Gegenwartskunst. Vielen Bildern ist eine mehr oder weniger verschlüsselte Symbolik inne: Die Bilder thematisieren immer wieder den Kontrast zwischen den unschuldigen Kindern und den nicht domestizierbaren Jagdgelüsten ihrer Katzen. Bluhm zieht anlässlich seiner Betrachtung von Giuseppe Maria Crespis „Mädchen mit Katze und toter Maus“ (1700) Parallelen zwischen Mann und Katze: Erstere erliegen der der weiblichen Verführungskunst, letztere – wie die abgebildete schwarze Katze – ihrem eigenen Jagdtrieb beim Anblick einer verführerisch dargebotenen toten Maus.
Detlef Bluhm, von Haus aus übrigens kein Kunsthistoriker, erzählt interessante Anekdoten über die Künstler, wagt sich an Interpretationen und spürt dem individuellen Verhältnis des jeweiligen Künstlers zur Katze nach. Dies macht die Beschäftigung mit den abgebildeten Katzenbildern berühmter und weniger berühmter Maler auch für den kunstgeschichtlichen Laien interessant.
Aber auch dem kunsthistorisch interessierten Katzenfreund kann Bluhm etwas Neues bieten: Er präsentiert mit Joachim Rágóczy (1895-1975) einen Maler, der weitestgehend unbekannt ist und in seinem langen Leben neben Landschaften, Städten und Menschen vor allem immer wieder Katzen zeichnete und malte.
Auf dem Spaziergang durch 500 Jahre Kinder, Katzen und Kunst unterhält Bluhm den Leser mit zahlreichen Details zur Katze: Er analysiert kenntnisreich die Körpersprache der Tiere, ihre Mimik und Gestik. So öffnet er Lesern wie mir – also solchen, die keine expliziten Katzenkenner sind – die Augen für einige Bilddetails, die man sonst leicht übersehen könnte. Wir lernen so, wie, wann und warum Katzen flehmen und welche Rolle dabei ihre anatomischen Besonderheiten spielen.
„Kinder und Katzen“, das sind 52 „Bilder einer besonderen Freundschaft“ mit 51 unterhaltsamen und lehrreichen Bildbeschreibungen. Dabei heraus kommt ein liebenswertes kleines Buch zum Immer-wieder-in-die-Hand-nehmen, zum Betrachten und – natürlich – zum Lesen. Eine Freude für Katzenfreunde und solche, die es vielleicht erst noch werden müssen.
Beitragsbild: Rechte beim Insel-Verlag, Berlin
Zum Buch:
Detlef Bluhm: Kinder und Katzen. Bilder einer besonderen Freundschaft.
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen.
Insel-Verlag, Berlin 2017.
154 Seiten. 12,95 Euro.
ISBN 978-3-359-01706-6