Von einem Hund, der auszog, das Fürchten zu lehren.
Auch Hunde können eine Midlifecrisis bekommen. Stromer, der Held in Bill Peets „Der Dingdongdilli“, leidet an einer veritablen Sinnkrise. Er hat es satt ein Hund zu sein und wäre lieber etwas Besonderes. So wie Paladin, der preisgekrönte Hengst aus der Nachbarschaft.
Als dann sein junger Herr Orvie ihn einen „dummen, alten Hund“ nennt, hat er die Nase voll. Stromer läuft weg von zu Hause und gerät in einen dunklen Wald. Hexe Hulda verwandelt Stromer in das unglaubliche Mischwesen und fabelhafte Riesentier Dingdongdilli. Aber anstelle ihn zu bewundern, bekommen alle, die Dingdongdilli erblicken, Angst vor ihm. Nach einigen Abenteuern wünscht sich Stromer nichts sehnlicher, als endlich wieder ein ganz normaler, alter Hund zu sein.
Bill Peets Buch aus dem Jahr 1970 ist ein amerikanischer Kinderbuchklassiker.
Die Geschichte ist lustig und lädt zum Nachdenken ein: Über Wünsche, Träume, das Anderssein und über Freundschaft. Trotz der fast 50 Jahre, die das Buch inzwischen alt ist, kommt es keineswegs verstaubt daher. Die Probleme, die den armen Stromer so umtreiben, sind so aktuell wie eh und jeh und dürften Erwachsenen noch vertrauter sein als Kindern.
Die Geschichte spielt in Amerika, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und ist daher sympathisch nostalgisch. Kutschen und altmodische Autos laden zum Staunen und Vergleichen ein, das Setting zwischen Kleinstadt und Farmleben vermittelt die Gemütlichkeit einer übersichtlichen Welt.
Bill Peets Sprache (deutsch in der Übersetzung von Thomas Kupfermann) ist für Kinder gut verständlich. Besonders schön ist, dass einige etwas angestaubte Begriffe aus der Versenkung geholt werden: Wörtern wie „Potzblitz“ und „Super-Bombastikus-Spektakulus“ möchte man den Einzug in den heutigen Sprachgebrauch wünschen.
Eine Lust zu lesen (und vorzulesen und nachzusprechen) sind die Zauberformeln Huldas. Hier reimt sich „kadebra“ auf „Zebra“; „kraxe“ auf „wachse“ und schließlich „Hexengrüße“ auf „Elefantenfüße“.
Der Text bildet grafisch wie inhaltlich eine wunderbare Einheit mit seinen detailverliebten Zeichnungen. Das Buch ist durchweg doppelseitig illustriert mit großformatigen, humorvollen Zeichnungen. Peet, der als Zeichner und Geschichtenschreiber in den Disneystudios arbeitete, stellt seine menschlichen und tierischen Darsteller in einer Mischung aus Realismus und Karikatur dar. Vor allem die unterschiedlichen Gemütslagen Stromers alias Dingdongdillis werden durch Peets gekonnten Zeichenstil ausgesprochen anschaulich umgesetzt.
Das Buch vermittelt einiges über den Umgang mit Tieren: Es zeigt, wie eng die Bindung zwischen Mensch und Tier sein kann und dass es nicht darauf ankommt, etwas ganz Spektakuläres zu sein, um geliebt zu werden. Ganz nebenbei erkennen Kinder, wie elend sich ein Tier fühlen kann, das als Attraktion und „lebendes Wunder“ seiner Freiheit beraubt wird. Wer mag, kann darüber auch in einen Dialog zum Thema Zirkustiere treten. Aber Bill Peets Buch kommt völlig ohne erhobenen Zeigefinger und moralische Belehrungen aus und lässt seinen Leserinnen und Lesern jeden Freiraum.
Das Buch ist geeignet zum Vorlesen für Kinder ab 4.
Beitragsbild: Rechte beim Verlag.
Bill Peet: Der Dingdongdilli.
Eulenspiegel Kinderbuchverlag, Berlin 2016.
64 Seiten. 14,99 Euro.
ISBN 978-3-359-01706-6