Über zwei literarische Jahresbegleiter: „Mit Gedichten durchs Jahr“ und „Literatiere“

Kalender für Literaturfreunde

Es ist wieder soweit: Die Kalender für das künftige Jahr liegen vor mir auf dem Schreibtisch und wollen betrachtet und besprochen werden. Dieses Jahr habe ich mir zwei literarische Jahresbegleiter vorgenommen: Den „Immerwährenden Literatiere Kalender“ der Grafikerin Heike Drewelow und der lyrische Kalender „Mit Gedichten durchs Jahr“ des Diogenes Verlags. Beide Kalender haben eines gemeinsam: Sie sind immerwährend – und wären auch viel zu schade, um sie nach einem Jahr auf Weg alles Irdischen zu schicken.

In Heike Drewelows grafischen Arbeiten nehmen Tiere viel Raum ein. So gestaltete sie ein Künstlerbuch namens „Grafische Tierversuche“ und erfand – womit sie sich einen Ehrenplatz auf Hund im Buch erzeichnete – die possierliche Spezies des Literatiers. In dem wunderbaren Kalender gibt es eine Auswahl von 12 Literatieren zu bewundern. Dabei macht Drewelow (die Kunstgeschichte und Germanistik studierte) auch vor der großen Kanon-Literatur nicht halt: Schiller, Goethe, Lessing: Im Kalender tummelt sich „Die Jungsau von Orleans“ neben „Nathan die Meise“ und „Krötes Faust“. Mit haarsträubend komischen Wortspielen und farbigen Zeichnung geht es hinein in die internationale Höhenkamm-Literatur: Man findet Shakespeare („Virus Euch gefällt“), Moliere („Der eingebildete Krake“) und Daniel Defoe („Robbensohn Crusoe“).

Der Kalender ist zum Loslachen komisch und ein herausragendes Geschenk für jeden Literaturfreund. Ich persönlich habe mir vorgenommen, mir in den entsprechenden Monaten die passenden literarischen Vorlagen wieder einmal vorzunehmen. Beginnend mit „Affenputtel“ und endend mit der „Schachforelle“.

„Mann soll alle Tage wenigstens ein gutes Gedicht lesen.“

So sagte es Goethe und so versuche auch ich es zu halten. Der Diogenes Verlage liefert uns mit seinem über 500 Seiten starken Band „Mit Gedichten durchs Jahr“ die richtige Ausstattung für dieses Vorhaben. 365 Gedichte und – bevor sich jemand beschwert – einem Bonusgedicht für Schaltjahre. Erich Kästners „Der dreizehnte Monat“.

Die Auswahl, die Daniel Kampa (Verleger und ehemaliger Mitarbeiter bei Diogenes) zusammentrug stellt deutschsprachige Gedichte von Walther von der Vogelweide bis Martin Suter zusammen. Er trägt Lyrik aus England, Frankreich, Italien, Russland und China zusammen (um nur einige der aus Fremdsprachen übersetzten Gedichte zu benennen. Diese interkulturelle, epochenübergreifende Durchmischung macht das Buch abwechslungsreich und hält – neben bekannten und geliebtem wie Rilkes unverzichtbarem „Herbsttag“, Eichendorffs „Weihnachten“, Goethes „Mignon“ und Heines „Im Mai“ – viele Neuentdeckungen bereit.

Die meisten Gedichte sind der Jahreszeit entsprechend ausgewählt. Kampa greift aber auch Geburtstage von Dichtern und andere Anlässe auf. Heute, zum Beispiel, lässt Kampa sich vom „Internationalen Tag der Berge“ inspirieren, der immer am 11. Dezember begangen wird. Er wählt „Im Engadin“ des schweizerischen Dichters Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898) aus:

„Über dunklem Arvenwipfel

Steigen auf die weißen Gipfel

Von dem tiefsten Blau begrenzt:

Heldenzelte, die sich breiten

Über wilden Einsamkeiten –

Wie die stolze Reihe glänzt!“

Schön, wenn man so gute Begleiter für das neue Jahr bei sich weiß. Das Jahr 2019 kann kommen. Pepita und ich sind – mindestens literarisch gesehen – gut aufgestellt.


Abbildungen Cover: Rechte beim Verlag


 

Zu den Kalendern:

Heike Drewelow:

Immerwährender Literatiere Kalender

ISBN 978-3-902980-22-9

Holzbaum Verlag, Wien 2016

10 Euro

 

Mit Gedichten durchs Jahr

Mit Gedichten durchs Jahr

Ein lyrischer Kalender mit 365 Gedichten

Ausgewählt von Daniel Kampa

ISBN 978-3-257-24179-2

Diogenes Verlag, Zürich 2012

15 Euro